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Rückzahlung der Corona-Überbrückungshilfen - Beginn einer neuen Insolvenzwelle?

Umsatzeinbrüche und laufende Kosten brachten viele Unternehmen während der Corona-Pandemie an den Rand der wirtschaftlichen Existenz. Rücklangen wurden aufgebraucht, Kreditlinien ausgereizt und Kontos bis auf den letzten Cent überzogen. Dies reichte in vielen Fällen nicht aus, die eigene Existenz zu retten. Aus diesem Grund wurden seitens des Staates die Corona-Soforthilfen, sowie die Corona-Überbrückungshilfen I bis VI  ins Leben gerufen, die von vielen Unternehmen in Anspruch genommen wurden und mit deren Hilfe auch viele Unternehmen gerettet werden konnten.

 

Doch wie geht es weiter? Sind diese Hilfen zu erstatten und wann? Was passiert, wenn ich die Überbrückungshilfen nicht erstatten kann? Diese und weitere Fragen sollen nachfolgend erläutert werden, wobei die Antworten, aufgrund der Komplexität der Thematik, nur einen kleinen Ausschnitt darstellen können.

 

I. Sind die Corona-Überbrückungshilfen grundsätzlich zu erstatten?

 

Ob die Corona-Überbrückungshilfen zu erstatten sind hängt davon ab, ob sie antragsgemäß verwendet wurden und auch in dem angegebenen Umfang. Die Corona-Überbrückungshilfen wurden in der Regel "unter dem Vorbehalt der Rückforderung" ausgezahlt. Dies bedeutet, dass die Gelder aufgrund der Angaben im Antrag auf Auszahlung der Überbrückungshilfe zunächst ausgezahlt werden, diese aber zurückgefordert werden können, wenn sich im Nachgang herausstellt, dass die Gelder nicht in dem Umfang benötigt wurden, wie zunächst prognostiziert.

 

II.  Wonach richtet sich die Erstattungspflicht der Überbrückungshilfen?

 

Die Überbrückungshilfen wurden aufgrund einer Prognose ausgezahlt. Hierbei wurden über den jeweiligen Auszahlungszeitraum der jeweils einschlägigen Überbrückungshilfe die Umsatzeinbrüche und die anfallenden Fixkosten prognostiziert. Im Rahmen der nunmehr zu erstellenden Schlussabrechnung sind die prognostizierten Umsatzeinbrüche und Fixkosten den tatsächlichen Umsatzeinbrüchen und Fixkosten in dem jeweiligen Auszahlungszeitraum gegenüber zu stellen. Ergibt sich hieraus eine Differenz zu Lasten des Unternehmens, ist dies zu erstatten. Ergibt sich eine Differenz zu Gunsten des Unternehmens, hat dieses einen Anspruch auf entsprechende Nachzahlung.

 

III. Bis wann ist die Schlussabrechnung zu erstellen und was passiert, wenn ich diese Frist verpasse?

 

Die Schlussabrechnung war ursprünglich bis zum 31.10.2023 zu erstellen, konnte jedoch auf Antrag bis zum 30.09.2024 verlängert werden. Wer die Schlussabrechnung aber auch zu diesem Zeitpunkt verpasst, muss die vollständige Überbrückungshilfe zuzüglich Zinsen ab dem Zeitpunkt der Auszahlung erstatten. 

 

IV. Muss ich die Überbrückungshilfen sofort zurückzahlen, wenn sich eine Differenz zu meinen Lasten ergibt?

 

Nein. Die Überbrückungshilfen sind nicht sofort zurückzuzahlen. Nach Einreichung der Schlussabrechnung prüft die Auszahlungsstelle zunächst, ob die Berechnung der tatsächlichen Umsatzeinbrüche und Fixkosten korrekt erfolgt ist und erlässt dann einen sogenannten "Schlussbescheid". Aus diesem Schlussbescheid ergibt sich dann der zu erstattende Betrag. Die Rückzahlung wird dann grundsätzlich erst sechs Monate nach Zugang des Schlussbescheids fällig. Diese Frist gilt nur dann nicht, wenn in dem Antrag auf Überbrückungshilfen bewusst falsche Angaben gemacht wurden, dann beträgt die Frist einen Monat.

 

V. Kann ich mich gegen den Schlussbescheid wehren, wenn ich der Ansicht bin, dass der Schlussbescheid fehlerhaft ist? Muss ich die Klage innerhalb einer bestimmen Frist einreichen? Welchen Folgen hat die Einreichung einer Klage?

 

Ja. Sie können gegen den Schlussbescheid zunächst Widerspruch einreichen und/oder Klage erheben. Ob Ihnen die Möglichkeit zusteht Widerspruch einzulegen oder Sie direkt Klage einreichen müssen, hängt davon ab, in welchem Bundesland Sie leben. In Hessen wurde das Widerspruchsverfahren abgeschafft, so dass Sie direkt Klage beim Verwaltungsgericht einreichen müssen.

 

Die Klage muss binnen eines Monats nach Zustellung des Schlussbescheids eingereicht werden, andernfalls wird die Klage unzulässig.  Auf die Frage, ob der Schlussbescheid fehlerhaft ist, kommt es dann nicht mehr an. 

 

Die Einreichung der Klage hat aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Schlussbescheid so lange nicht vollstreckt werden kann, solange das Klageverfahren läuft. 

 

VI.  An welchen Punkten ist der Schlussbescheid angreifbar?

 

Grundsätzlich gibt es drei potentielle Fehlerquellen im Schlussbescheid. Die Differenz der Umsatzeinbrüche wurde falsch berechnet, die ansatzfähigen Fixkosten wurden fehlerhaft bewertet oder der Bescheid an sich ist aus formellen oder anderweitigen materiellen Gründen fehlerhaft. Hier kommt es tatsächlich auf den jeweiligen Einzelfall an.

 

VII. Was kann ich machen, wenn der Schlussbescheid korrekt ist, ich die Überbrückungshilfen aber  nicht auf einmal zurückzahlen kann?

 

Soweit Sie die Überbrückungshilfen nicht auf einmal zurückzahlen können, können Sie einen Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung stellen. Hier besteht die Möglichkeit, eine Ratenzahlung bis zu 24 Monaten zu beantragen.

 

VIII. Ich bin keinesfalls in der Lage, die Überbrückungshilfen zurückzuzahlen. Kann ich auch bei Schulden wegen der Überbrückungshilfen einen Insolvenzantrag einreichen? Muss ich eventuell einen Insolvenzantrag einreichen?

 

Sind Sie nicht in der Lage die Überbrückungshilfen zurückzuzahlen, bleibt Ihnen auch die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag einzureichen. Hier besteht dann die Möglichkeit der Restschuldbefreiung und Sie sind nach drei Jahren schuldenfrei. Eine Insolvenzantragspflicht besteht bei Soloselbständigen, Einzelunternehmers und Personengesellschaften wie der GbR oder der OHG grundsätzlich nicht. Eine solche Pflicht besteht grundsätzlich nur, soweit es sich bei dem Unternehmen um eine Kapitalgesellschaft wie eine GmbH oder eine AG handelt, sowie bei Personengesellschaften, bei der keine natürliche Person haftet, wie der GmbH & Co. KG. 

 

IX. Ich bin Soloselbständiger/ Einzelunternehmer bzw. Gesellschafter einer Personengesellschaft und habe Überbrückungshilfen erhalten. Muss ich den Insolvenzantrag stellen, wenn ich den Schlussbescheid erhalte, die Rückzahlung erst in sechs Monaten leisten muss und ich Klage gegen den Schlussbescheid eingereicht habe bzw. einreichen möchte? Wie wäre es, wenn ich Geschäftsführer einer GmbH bin?

 

Sobald Sie als Soloselbständiger/ Einzelunternehmer oder Gesellschafter einer Personengesellschaft einen Schlussbescheid erhalten haben, der eine Rückforderung beinhaltet, sollten Sie diesen unverzüglich prüfen lassen. Stellt sich heraus, dass dieser fehlerhaft ist, ist es geboten, innerhalb der Klagefrist (einen Monat ab Zustellung!) Klage gegen den Bescheid einzureichen. Diese Klage hat aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass die Überbrückungshilfen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens nicht erstattet werden müssen, sollte die Klage nicht erfolgreich oder nur zum Teil erfolgreich sein. Im Falle eines erfolgreichen Klageverfahrens müssen Sie natürlich keine Erstattung leisten.

 

Sind Sie Geschäftsführer einer Kapitalgesellschafter wie der GmbH oder einer Personengesellschaft ohne haftende natürliche Person, gelten andere Regeln. In diesem Fall sind Sie verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen, soweit die Gesellschaft insolvenzreif, also  bspw.  überschuldet ist. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Im Falle der Rückforderung der Überbrückungshilfen greift grds. die Überschuldung, soweit die Fortführungsprognose aufgrund der Rückzahlungsverpflichtung der Überbrückungshilfen negativ ausfällt und auch das Vermögen nicht ausreicht, die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Als anzusetzende Verbindlichkeiten gelten die Überbrückungshilfen auch dann, wenn gegen den Bescheid Klage eingereicht wurde oder sogar ein Stundungs- oder Ratenzahlungsantrag gestellt wurde, so dass auch in diesen Fällen ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, will der Geschäftsführer nicht in die Insolvenzverschleppung geraten. 

 

X. Persönliche Prognose über die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen aufgrund der Schlussbescheide nach dem 30.09.2024

 

Die Wirtschaft in Deutschland ist derzeit extrem angespannt. Hohe Kosten, eine angespannte Weltwirtschaft und weitere Faktoren machen der Wirtschaft zu schaffen, was sich auch in den Firmeninsolvenzen niederschlägt. Die Zahl der Firmenpleiten ist in 2024 so hoch wie lange nicht.

 

Diese Zahl wird sich nach dem 30.09.2024 weiter erhöhen. Es wurden insgesamt knapp 5 Mio. Anträge auf Corona-Hilfen gestellt. Hiervon fällt ein Großteil auf Anträge der Überbrückungshilfen. Die Frist für die letztmalige Einreichung der Schlussabrechnung läuft am 30.09.2024 aus. Danach können die Schlussbescheide jederzeit erlassen und übersandt werden. Problematisch ist, dass viele Unternehmen die Frist bis zum 30.09.2024 ausreizen und es somit im Nachgang zu einer Welle von rückfordernden Schlussbescheiden kommen wird, die in einem engen Zeitfenster flächendeckend und branchenübergreifend an die Unternehmen versandt werden. Das Risiko besteht in diesem Fall, dass eine große Anzahl an Unternehmen auf einen Schlag insolvenzantragspflichtig wird. 

 

Hier wäre ggf. die Politik gefragt, die gesetzliche Insolvenzantragspflicht für Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen auszusetzen, damit aus der Welle an Schlussbescheiden kein Insolvenz-Tsunami für die deutsche Wirtschaft entsteht.

 

Sollten Sie Unterstützung im Bereich Rückforderung von Überbrückungshilfen oder Fragen zum Insolvenzrecht haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.